آية الرجم
āyatu r-raǧm
Steinigungsvers
Zur Situation in Afghanistan im November 2013
Gerade in den abgelegenen Teilen Afghanistans ist das der Scharia entsprechende Stammesrecht wieder auf dem Vormarsch und richtet sich inzwischen auch gegen Ehebrecher. Erst am Wochenende wären in der Provinz Baghlan zwei junge Menschen nach dem Beschluss der Stammesversammlung beinahe gesteinigt worden. Zwar gelang den Verliebten die Flucht, aber wenig später, nach einem Autounfall, wurden sie festgenommen und von ihren Angehörigen sofort erschossen.
Nach islamischem Recht sind vier Zeugen nötig, die den Ehebruch mit eigenen Augen gesehen haben. Es scheint in Baghlan im Zweifelsfall immer genug Zeugen zu geben, die den Ehebruch bestätigen möchten, weshalb wir den Beschwichtigungen des Mitgliedes des Scharia-Komitees für Islamisches Recht nicht vertrauen können, der sagt, die Steinigung sei in der Praxis kaum durchführbar. Die Provinzbewohner von Baghlan haben an diesem Wochenende die zwei jungen Leute erschossen und hätten sie auch gesteinigt, wenn ihnen ein in der Hauptstadt geschaffenes neues Gesetz die Möglichkeit dazu eingeräumt hätte.
Erst im Juni 2013 hatte die Bundeswehr nach drei Jahren die Unruheprovinz Baghlan verlassen und den 70 km westlich von Kunduz gelegenen und als äußerst gefährlich geltenden Observationspunkt Nord (OP North) den Afghanen übergeben. Die letzten deutschen Soldaten wurden nach Masar-i-Scharif verlegt. Auch in Kunduz wird die Lage immer gefährlicher. Vorgestern wurde dort ein einheimischer Mitarbeiter der Bundeswehr, ein Dolmetscher, von den Taliban aus seinem eigenen Haus herausgeholt, verschleppt und umgebracht.
Stoppen Sie die Rückkehr der Steinigung nach Afghanistan!
Von Gabi Schmidt und Edward von Roy am 26.11.2013.
Die Steinigung ist eine der grausamsten Arten einen Menschen umzubringen. Das Opfer wird in ein undurchsichtiges Tuch gewickelt und halb in die Erde eingegraben und dann von einer Menschenmenge mit Steinen qualvoll zu Tode gebracht. Die Steine sollen etwas kleiner als die werfende Hand sein, damit der Tod des Verurteilten nicht zu schnell eintritt. Vor allem in islamisch geprägten Staaten kommt die Jahrtausende alte und ebenfalls in der Bibel erwähnte Tötungstechnik auch heute noch vor, entweder staatlich zugelassen wie im Iran, wo § 83 des Strafgesetzbuches die Todesstrafe durch Steinigung bei Ehebruch vorschreibt, oder stammeskulturell in einsamen Regionen.
In Afghanistan planen einflussreiche Kleriker und Juristen die Wiedereinführung der Steinigung. Das wäre für Afghanistan ein rechtskultureller Rückschritt um mindestens zwölf Jahre, zurück in die Zeit der Herrschaft der radikalislamischen Taliban.
Zwischen 1996 bis 2001 waren Musik und Tanz verboten, mussten sich Männer einen langen Bart wachsen lassen, durften Mädchen nicht mehr zur Schule gehen und Frauen das Haus nicht alleine verlassen. Jeder überführte Ehebrecher wurde erschossen oder gesteinigt.
Rohullah Qarizada ist ein Mitglied im Scharia-Komitee für Islamisches Recht (Sharia Islamic Law Committee). Dieses Komitee will erreichen, das man nach dem künftigen afghanischen Strafrecht Ehebrecher steinigen darf, die Steinigungsopfer sind erfahrungsgemäß meistens Frauen.
Gestern gab Herr Qarizada Folgendes bekannt:
„Wir arbeiten gerade am Entwurf eines schariakonformen Strafgesetzbuches, welches festlegt, dass der Täter, falls vier Augenzeugen den Ehebruch bestätigen, gesteinigt werden soll, We are working on the draft of a sharia penal code where the punishment for adultery, if there are four eyewitnesses, is stoning.“
Rohullah Qarizada ist kein bedeutungsloser Scheich in irgendeinem abgelegenen Bergdorf, sondern Vorsitzender der Afghanischen Unabhängigen Anwaltskammer (Afghan Independent Bar Association, AIBA).
Qarizada will zwar einerseits den Steinigungsparagraphen festschreiben, beteuert aber andererseits, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Steinigung jemals zur üblichen Praxis werden könne:
„Der Richter stellt jedem Zeugen viele Fragen und wenn auch nur eine Antwort von denjenigen der anderen abweicht, wird das Gericht die Anklage zurückweisen, The judge asks each witness many questions and if one answer differs from other witnesses then the court will reject the claim.“
Die Grundlagen des heutigen Staates Afghanistan sind auch ein Produkt Made in Germany. Denn es war in Bonn am Rhein am 5. Dezember 2001, als man auf der Petersberger Afghanistan-Konferenz im sogenannten Bonn Agreement vereinbarte, wie im Land am Hindukusch die Entwicklung geordneter und demokratischer Verhältnisse erreicht werden soll. Seit dieser Zeit ist Hamid Karzai Präsident.
Auf die vorbehaltlose Geltung der am 10. Dezember 1948 festgestellten Allgemeinen Menschenrechte verzichtete man 2001 in Bonn, um in der afghanischen Verfassung den Bezug auf das Islamische Recht möglich zu machen. Dieser Schariavorbehalt jedoch ist in nahezu allen islamisch geprägten Staaten der Welt der Einstieg für die Erschaffung von menschenfeindlichen und insbesondere frauenfeindlichen Gesetzen und Verordnungen.
Die ab dem 13. Dezember 2003 durch die Loya Jirga beratene und dann beschlossene sowie am 26. Januar 2004 von Präsident Karzai ratifizierte Verfassung legt in Artikel 1 die allgemeine Marschrichtung fest:
„Afghanistan sei eine Islamische Republik, Afghanistan shall be an Islamic Republic“,
Artikel 2 nennt die Staatsreligion:
„Die Religion der Islamischen Republik Afghanistan ist der heilige Islam, The sacred religion of Islam is the religion of the Islamic Republic of Afghanistan“
und Artikel 3 erklärt den Rest:
„In Afghanistan kann kein Gesetz den Glaubensinhalten und Bestimmungen der geheiligten Religion des Islam widersprechen, No law shall contravene the tenets and provisions of the holy religion of Islam in Afghanistan“
Artikel 130 betont, dass offene Rechtsfragen nach dem hanafitischen Fiqh (Hanafi jurisprudence) zu regeln sind. Was das bedeuten kann, zeigt uns der Fall Abdul Rahman.
Die im Gebiet zwischen Bosnien und der Türkei im Westen bis nach Afghanistan, Pakistan und Bangladesch im Osten vorherrschende sunnitische Rechtsschule der Hanafiten sieht für einen männlichen Apostaten vom Islam grundsätzlich die Todesstrafe vor. Nur wenn man ihn für geistesgestört erklärt kann sein Leben verschont bleiben.
Abdul Rahman war zum Entsetzen seiner Verwandtschaft zum Christentum übergetreten. Seine Eltern enterbten ihn und seine Ehefrau ließ sich aufgrund seines neuen katholischen Glaubens im Rahmen eines Sorgerechtsprozesses von ihm scheiden. Die Staatsanwälte forderten im Februar und März 2006 seine Todesstrafe, kein Rechtsbeistand in Kabul war bereit gewesen, ihn anwaltlich zu vertreten. Seiner Hinrichtung konnte der 41-jährige afghanische Familienvater nur knapp entgehen, indem man ihn für geisteskrank erklärte und das Gerichtsverfahren aufgrund angeblicher Formfehler einstellte. Abdul Rahman bekam Asyl in Italien.
Mit einer solchen Verfassung kann ein Staat Errungenschaften kultureller Moderne wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Meinungs- und Pressefreiheit selbstverständlich niemals erreichen und wird der Abfall vom islamischen Glauben zur tödlichen Gefahr, aber das spricht man weder bei der Deutschen Islamkonferenz noch bei den Afghanistan-Konferenzen aus.
Am 5. Dezember 2001 legte man im toleranten Bonn den Weg Afghanistans nicht in die universellen Menschenrechte, sondern hin zur Schariarepublik fest:
„in Anerkennung des Rechtes des afghanischen Volkes, seine politische Zukunft im Einklang mit den Grundsätzen des Islam, der Demokratie, des Pluralismus und der sozialen Gerechtigkeit in Freiheit selbst zu bestimmen, Acknowledging the right of the people of Afghanistan to freely determine their own political future in accordance with the principles of Islam, democracy, pluralism and social justice.“
Als Gastgeber der Petersberg-Konferenzen 2001 und 2011 ist die Bundesrepublik für die juristische Situation in Afghanistan in hohem Maße mitverantwortlich.
In diesen Tagen also wird in Kabul über die Todesstrafe für Ehebrecher verhandelt, während die deutsche Regierung (Drucksache 17/7748) vor nur zwei Jahren sagte:
„Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert in seinem Rechtsstaatlichkeitsprojekt eine Vielzahl einzelner Maßnahmen, um die Situation inhaftierter Menschen in Afghanistan zu verbessern.“
Die geplante Legalisierung der Steinigung wird die Situation der Gefangenen weiter verschlechtern. Die Verantwortlichen für das Rechtsstaatlichkeitsprojekt müssen deshalb unverzüglich erklären, dass die Politik der Steinigung mit deutscher finanzieller Unterstützung nicht zu machen ist.
Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss jede weitere Unterstützung davon abhängig machen, dass die Steinigung in Afghanistan nicht legalisiert wird.
Gabi Schmidt
Edward von Roy
Q u e l l e n
Übereinkommen über vorläufige Regelungen in Afghanistan bis zur Wiederherstellung dauerhafter staatlicher Institutionen
(oft genannt The Bonn Agreement)
AGREEMENT ON PROVISIONAL ARRANGEMENTS IN AFGHANISTAN PENDING THE RE-ESTABLISHMENT OF PERMANENT GOVERNMENT INSTITUTIONS
05.12.2001
http://www.washingtonpost.com/wp-srv/world/texts/bonnagreement.html
Die Verfassung der Islamischen Republik von Afghanistan
The Constitution of the Islamic Republic of Afghanistan
(Ratified) January 26, 2004
http://www.embassyofafghanistan.org/page/constitution
Fatwa der Kairoer al-Azhar zum Umgang mit einem Konvertiten vom Islam zum Christentum. Kein „Islamismus“, sondern echter alter Islam.
Da er vom Islam abgefallen ist, wird er zur Reue aufgefordert. Zeigt er keine Reue, wird er islamrechtlich getötet, Since he left the Islam, he will be invited to express his regret. If he does not regret, he will be killed pertaining to rights and obligations of the Islamic law.
Was seine Kinder betrifft, so sind sie minderjährige Muslime. Nach ihrer Volljährigkeit, wenn sie im Islam verbleiben, sind sie Muslime. Verlassen sie den Islam, werden sie zur Reue aufgefordert. Zeigen sie keine Reue, werden sie getötet.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/Rechtsgutachten_betr_Apostasie_im_Islam.jpg
Deutscher Bundestag, Antwort auf die Kleine Anfrage zum Thema Folter in afghanischen Haftanstalten, Drucksache 17/7748
15.11.2011
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/077/1707748.pdf
Adulterers may be stoned under new Afghan law, official says
By Mirwais Harooni and Katharine Houreld
Kabul am 25.11.2013
http://www.reuters.com/article/2013/11/25/us-afghanistan-rights-idUSBRE9AO0EB20131125
Afghanistan considers reviving Taliban’s punishment of stoning for adulterers, 12 years after toppling the religious regime
By Matt Blake and Daily Mail Reporter
The Daily Mail 25.11.2013
